„Freiheit auf Vorrat?“ – Diskussion über die umstrittene Vorratsdatenspeicherung.
Wie viel digitale Sicherheit braucht ein Land – und wie viel Freiheit darf sie kosten? Diese zentralen Fragen standen im Mittelpunkt der hybriden Informationsveranstaltung ur Vorratsdatenspeicehrung von SpaceNet, einem Münchener Managed Service Provider, im Presseclub München.
Zusammenfassung (TL; DR):
- SpaceNet hatte 2016 vor dem Verwaltungsgericht Köln Klage gegen die gesetzliche Regelung zur Vorratsdatenspeicherung erhoben
- 2022 erklärte der EuGH die vorsorgliche Datensammlung auf Vorrat für rechtswidrig
- Erneute Diskussion ist “Symbolpolitik”
Unter dem Titel „Freiheit auf Vorrat? – Streitpunkt Vorratsdatenspeicherung in Deutschland“ diskutiertenkürzlich Fachleute aus Wirtschaft und Politik über die umstrittenen Regierungspläne zur Einführung der Vorratsdatenspeicherung. Zu den Diskutierenden zählten Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesjustizministerin a. D. und Vorstandsmitglied der Friedrich-Neumann-Stiftung für die Freiheit, Dr. Michael Ruoff, Landesvorsitzender der FDP Bayern, sowie Sebastian von Bomhard, Gründer und Vorstand SpaceNet.
Engagement für Datenschutz mit Signalwirkung
SpaceNet hatte bereits 2016 vor dem Verwaltungsgericht Köln Klage gegen die gesetzliche Regelung zur Vorratsdatenspeicherung erhoben – und zog damit bis vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH). 2022 erklärte der EuGH die vorsorgliche Datensammlung auf Vorrat schließlich für rechtswidrig – eine Entscheidung, die 2023 auch vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) bestätigt wurde. Damit setzte SpaceNet ein klares Signal für Datenschutz, Rechtsicherheit und digitale Freiheitsrechte in Deutschland. Mit der erneuten Aufnahme dieses Ansatzes im Koalitionsvertrag steht das Thema aber jetzt wieder voll im Fokus.
So titelte Die Zeit zwar 2023: „Vorratsdatenspeicherung endgültig für rechtswidrig erklärt“. „Ich frage mich, was aus dem Wort endgültig geworden ist“, wunderte sich dazu Sebastian von Bomhard. „Endgültig hieß früher, dass etwas irgendwann vorbei ist und nicht alle zwei Jahre wieder aufkommt.“ Mit ihrer ursprünglichen Klage habe es SpaceNet geschafft, sich der gesetzlichen Speicherung nicht beugen zu müssen.
Fachkundiger Diskurs über Freiheit und digitale Sicherheit
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger skizzierte in einem historischen Überblick die Entwicklung der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland. „Es geht um grundlegende Fragen des Schutzes unserer Persönlichkeit und informationellen Selbstbestimmung“, betonte die ehemalige Bundesjustizministerin. „Wir reden über ein Thema, das unsere Grundrechte fundamental berührt.“ Dabei gehe es nicht nur um die Nutzer, sondern auch die Anbieter, die zur Speicherung und Weitergabe der Daten angehalten würden.
Dr. Michael Ruoff rückte in seinem Statement die gesellschaftspolitische Dimension in den Vordergrund: „Bei der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung handelt es sich um einen sehr weiten Eingriff in die Privatsphäre“, erklärte er. „Freiheit ist kein Luxus, Freiheit ist eine Zukunftskompetenz.“ Stattdessen forderte er, auf gezielte, staatlich kontrollierte Verfahren wie den „Quick-Freeze“-Ansatz zu setzen.
Dabei werden Telekommunikationsdaten – wie beispielsweise IP-Adressen – nur bei konkretem Tatverdacht direkt beim Anbieter eingefroren, im Gegensatz zur Vorratsdatenspeicherung. „Es ist eine gezielte Auswertung der Daten möglich. Man produziert mit dem Quick-Freeze-Verfahren keinen großen Heuhaufen von Daten, der erst mühsam durchforstet werden muss“, erklärte Dr. Ruoff.
Sebastian von Bomhard stellte die aktuellen technischen und rechtlichen Risiken der angestrebten Datenspeicherung dar. „Es wurde nicht nur die Speicherfrist verdoppelt,“ betonte von Bomhard. „Während früher die Daten des Anschlussinhabers kontrolliert werden sollten, spricht man jetzt sogar von einer Speicherung der Portnummer aller Kontaktpartner. Wenn man nun weiterdenkt, werden in Zukunft nicht nur mehr Daten länger gespeichert, sondern durch den Einsatz von KI kommen noch ganz andere Möglichkeiten auf uns zu.“
Austausch im Presseclub
In der anschließenden Diskussionsrunde nutzten die anwesenden Vertreter aus Fachmedien und Publikumspresse die Gelegenheit zu kritischen Fragen und einem lebhaften Austausch mit den Fachleuten.
Die drängende Frage im Raum: Warum ist die Vorratsdatenspeicherung schon wieder Thema? Leutheusser-Schnarrenberger wurde dazu deutlich: „Wir sitzen erneut hier, weil die Politik schon wieder einen neuen Gesetzesentwurf vorlegt. Dabei geht es aber mehr um Symbolpolitik – allein, um etwas vorweisen zu können. Es interessiert wenig, wie gut das Gesetz zum Schluss wirkt.“ Sebastian von Bomhard schloss sich an: „Der kommende Gesetzesvorschlag birgt drei wiederkehrende Risiken: Die Vorratsdatenspeicherung ist anlasslos, flächendeckend und unbefristet. Und deswegen sprechen wir erneut darüber. Sie ist der ewige Wiedergänger.“
„Es gibt auch immer noch ein Problem, sollte jemand zu Unrecht beschuldigt werden“, hob Dr. Ruoff hervor. „Die Herangehensweise ist eine ganz andere. Gegen einen richterlichen Be-schluss lässt sich besser vorgehen als gegen einen Tatvorwurf, der auf technischen Informationen beruht.“ Auf die Frage nach anfallenden Kosten bemerkte von Bomhard zum Abschluss: „Es ist weniger eine Frage des Geldes, sondern eine Frage der Freiheit.“