Digitalisierung der Justiz: Wie KI im Gerichtssaal zum Gamechanger werden kann
Bei Themen wie Digitalisierung oder Künstlicher Intelligenz gilt die Justiz in der öffentlichen Wahrnehmung nicht unbedingt als Vorreiter. Ein jüngst vom Berliner Systemhaus Arktis IT solutions organisiertes Experten-Panel hat aber gezeigt, dass sich die deutschen Gerichte bereits intensiv mit möglichen Einsatzfeldern von KI auseinandersetzen. Um Richtern die dringend benötigte Entlastung im Arbeitsalltag zu verschaffen, kommt es dabei auf ein effektives und effizientes Zusammenspiel von Justiz, Politik, Wissenschaft und Wirtschaft an.
Das Thema Digitalisierung hat in der Justiz lange Zeit ein Schattendasein geführt. Doch der Druck wächst. Denn zum einen gibt es immer mehr Massenverfahren (Dieselskandal, Fluggastrechte etc.), und zum anderen verschärft sich der Fachkräftemangel auch bei Juristen. “Um effizienter und schneller zu arbeiten, ohne an Qualität der Entscheidungen einzubüßen, muss die Justiz neue Wege gehen”, ist Jan Christian Hesterberg, Prokurist der Arktis IT solutions, überzeugt.
Hesterberg, der bei Arktis (Webseite) sowohl den Vertrieb als auch den Bereich e-Justice verantwortet, hat mit seinem Team in den vergangenen Jahren bereits hunderte Gerichtssäle mit moderner Videokonferenztechnik ausgestattet. Schließlich muss bis zum 1. Januar 2026 in allen deutschen Gerichtssälen digitales Arbeiten möglich sein. “Wenn man sich so intensiv mit den fachlichen, technischen und auch baulichen Anforderungen der Justiz auseinandersetzt, sieht man sehr gut, wo Künstliche Intelligenz – Stichwort Gerichtssaal 2.0 – zum Gamechanger werden könnte”, sagt Hesterberg.
Digitalisierung der Gerichtssäle
Die Digitalisierung der Gerichtssäle hat bisher gezeigt, dass der Schlüssel zum Erfolg ein enger Austausch zwischen Justiz, Politik, Wissenschaft und Wirtschaft ist. Daher organisierte Arktis im Rahmen des jüngst in Würzburg ausgerichteten 20. Deutschen Verwaltungsgerichtstages ein hochkarätiges Panel zum Thema “KI in der Verwaltungsgerichtsbarkeit – Innovation oder Risiko?” Welche Zukunftsideen es gibt, um mithilfe Künstlicher Intelligenz den aktuellen Herausforderungen zu begegnen, zeigen exemplarisch die folgenden Statements aus der Panel-Veranstaltung:
Gesine Irskens, Richterin und Referatsteilleiterin im Niedersächsischen Justizministerium: “Eines unserer großen Projekte ist MAKI (Massenverfahrens-Assistenz mithilfe von Künstlicher Intelligenz). Entwickelt wurde ein smarter Assistent, der unter anderem Schlüsseldaten extrahiert und erkennt, welche Entscheidungsvorlage zum jeweiligen Verfahren passen könnte, um dann ein entsprechendes Entscheidungsmuster vorzuschlagen. Mithilfe von Großen Sprachmodellen kann zudem die Akte befragt und der Inhalt aufbereitet werden. Das Projekt wird wissenschaftlich von der Universität Göttingen begleitet. Die Techniker und Juristen im Projektteam der Uni Göttingen erarbeiten rechtliche und technische Empfehlungen für den Einsatz von KI im Nahbereich der richterlichen Entscheidungsfindung. Gegenstand der Forschungsbegleitung ist auch, wo eine rote Linie für den Einsatz von KI verläuft, hinter der ein Einsatz von KI im Rahmen der richterlichen Entscheidungsfindung nicht mehr zulässig ist.”
Björn Beck, Leiter des Innovationslabors der Landesregierung Baden-Württemberg (zuvor Richter und Staatsanwalt): “Bei technischen Innovationen stellt sich oft die Frage: Make or buy? Es freut mich zu sehen, dass die Justiz inzwischen für digitale Lösungen im Gerichtssaal nicht mehr alle Produkte selbst entwickeln muss, sondern auf fertige Innovationen aus der Wirtschaft zurückgreifen kann.”
“Der Verwaltungsgerichtstag war eine extrem spannende Veranstaltung mit zahlreichen Möglichkeiten des Austauschs”, blickt Jan Christian Hesterberg zurück. “Entgegen vieler Vorurteile ist die Justiz offen für die Digitalisierung und die Teilnehmenden zeigten sich sehr daran interessiert, wie KI-Lösungen sie künftig bei ihrer Arbeit unterstützen können. Die auf unserem Panel vorgestellten Initiativen und pragmatischen Ansätze machen mir Mut für die Zukunft. Dennoch befinden wir uns noch immer in einer Umbruchphase, in der es keine “fertigen” Lösungen gibt. Gemeinsam und im Dialog auf Augenhöhe werden wir den Wandel schaffen!”