Schwachstellen werden zu Neonschildern: “Hack mich – Tür steht offen!”

Schwachstellen werden zu Neonschildern: “Hack mich – Tür steht offen!”

Yasin Ilger,   Torben Clemmensen,    |

Schwachstellen werden zu Neonschildern: “Hack mich – Tür steht offen!”

Es gibt diesen besonderen Moment, wenn eine neue Sicherheitslücke bekannt wird. Für die meisten bedeutet das nur eine weitere, zu lange Pressemitteilung. Für Hacker dagegen? Es ist, als würde man ein riesiges Neonschild der Schwachstellen mitten im Cyberspace einschalten: „HACK MICH – DER EINTRITT IST FREI.“

Zusammenfassung (TL; DR)

  • In vielen Organisationen dauert es Tage oder Wochen, um ein Update zu testen, freizugeben und auszurollen
  • Wenn eine Schwachstelle öffentlich wird, ist sie nicht behoben und ganze Internet weiß, wo sie sich befindet.
  • Schwachstellenmanagement ist ein kontunuierlicher Prozess

Zwischen „Wir haben ein Problem“ und „Wir haben es gefixt“ liegt eine gefährliche Zeitspanne. Man nennt sie höflich Exposure Window. Ich nenne sie Urlaubszeit für Hacker. Die einen stürmen sofort hinein – mit Ransomware und Datendiebstahl als Ziel. Die anderen – die Geduldigen – schleichen sich ein, verstecken sich und warten. Sie legen einen unscheinbaren Benutzer an, eine Hintertür, einen harmlosen Dienst, der einfach bleibt, leise, unsichtbar – bis sie ihn eines Tages brauchen. Das ist kein Zufall. Das ist geplante Einbruchslogistik – mit dem Ersatzschlüssel unter der Fußmatte.

Warum „Einfach updaten“ der dümmste Rat der Welt ist

Patching klingt einfach, oder? Man denkt: „Einfach auf Update klicken.“ Aber nein – in der Realität ist es ein chaotischer Tanz zwischen IT-Abteilungen, Lieferanten und Systemen, die schon beim Wort „Änderung“ zusammenbrechen. In vielen Organisationen dauert es Tage oder Wochen, um ein Update zu testen, freizugeben und auszurollen. Und in dieser Zeit sitzen die Hacker bereit. Sie brauchen keine Change-Meetings. Sie brauchen nur Geduld – und Zugriff.

Und falls jemand glaubt, kritische Infrastrukturen seien besser geschützt – Fehlanzeige. Niemand startet einfach mal eben ein Wasserwerk oder ein Fernwärmesystem neu, um ein Update einzuspielen. Das bedeutet: Einige der wichtigsten Systeme unserer Gesellschaft laufen auf dem digitalen Äquivalent von Windows XP mit Pflaster drauf.

Schwachstellen: Wenn IT plötzlich Überleben bedeutet

Wenn eine Schwachstelle in einer normalen Firma ausgenutzt wird, kostet das Geld. Wenn sie kritische Infrastruktur trifft, kostet es Zivilisation.  Ein Loch im Kontrollsystem eines Wasserwerks kann chemische Dosierungen verändern:

  • Ein Loch im Stromnetz kann Städte verdunkeln.
  • Ein Loch im Fernwärmenetz kann ganze Viertel im Januar einfrieren.
  • Und ein Loch im Krankenhausnetzwerk kann Leben kosten.

Das alles haben wir schon gesehen:

  • Die Stromausfälle in der Ukraine – zweimal.
  • Der Angriff auf ein Wasserwerk in Florida, bei dem jemand versuchte, das Trinkwasser zu vergiften.
  • Die koordinierten „technischen Störungen“ an nordischen Flughäfen, die verdächtig nach Cyberangriff aussahen.

Gemeinsamkeit? Eine bekannte Schwachstelle, die ein bisschen zu lange offen blieb.

Von Excel-Fehlern zur nationalen Bedrohung

Cybersicherheit wurde jahrelang als IT-Kostenstelle behandelt. Aber sobald die Systeme, die unsere Gesellschaft am Laufen halten, digital sind, wird jede ungepatchte Schwachstelle zu einem nationalen Sicherheitsrisiko. „Der Unterschied zwischen getroffen werden oder online bleiben ist keine Technologie – es ist Zeit,“ sage ich jedes Mal, wenn mich jemand fragt, warum ich Benachrichtigungen auch nachts anlasse.

Denn sobald die Lücke öffentlich ist, zählt jede Minute. Je schneller du reagieren kannst, desto weniger sitzen im Dunkeln und fluchen über den kalten Kaffee.

Der alte Rhythmus vs. die neue Realität

Die meisten Unternehmen patchen immer noch nach Kalender: „Wir updaten am ersten Dienstag im Monat.“ Wunderbar.

Der Hacker bedankt sich für die planbare Ineffizienz und nutzt die restlichen 29 Tage, um den Weg hinein zu finden.

Selbst Behörden kommen kaum hinterher. Verordnungen wie NIS2 sollen das Tempo erhöhen, aber Gesetze schließen keine Lücken. Das tun Übersicht, Konsequenz und Reaktion. Und die meisten Organisationen wissen immer noch nicht genau, wo ihre eigenen Schwachstellen liegen. „Du kannst nichts reparieren, von dem du nicht weißt, dass es existiert.“ Und genau dort fängt der Hacker an. Und was nun, Schlaumeier?

Drei Dinge helfen wirklich – ohne Marketing, ohne Buzzwords:

  • Übersicht schaffen: Kenn deine Systeme. Auch die alten, auch die „temporären“, die seit 2013 „temporär“ sind.
  • Ständig scannen: Nicht einmal im Jahr. Ständig. Die Welt ändert sich schneller, als du deine nächste Change Request genehmigt bekommst.
  • Prüfen, ob sie schon drin sind: Kompromissbewertung klingt technisch – bedeutet aber einfach: „Schau nach, ob die Tür schon offen steht.“

Kombiniert man das, wird man von reaktiv zu proaktiv. Man entfernt die Überraschung – und das ist der größte Sieg in der Cybersicherheit. Und die unausweichliche Wahrheit? Es wird immer Schwachstellen geben. Das lässt sich nicht vermeiden.

Aber der Unterschied zwischen wissen und fixen ist genau dort, wo die Gefahr wohnt. Dort, wo Krankenhäuser offline gehen, das Wasser nicht mehr läuft und die Heizung nur noch „klack“ macht. Die Frage ist nicht, ob du gehackt wirst, sondern wann. Kenne deine Assets, um zu wissen, was du wirklich schützen musst.

Wenn du also Strom aus der Steckdose willst, warmes Wasser im Hahn und Heizungen, die mehr tun als Geräusche machen – dann nimm dieses Zeitfenster ernst.

Es heißt nicht „Wir machen’s Montag“. Es heißt Countdown.

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    Seit 2021 gehört Yasin zum Team von SECUINFRA und ist für die Weiterentwicklung des Incident Response Services der SECUINFRA verantwortlich. Er hat sich auf die Erkennung, Analyse und Behebung von Sicherheitsvorfällen in Computernetzen spezialisiert. Dies umfasst die Analyse von Bedrohungen, die Identifizierung von Schwachstellen und die Durchführung von Gegenmaßnahmen, um zukünftige Angriffe zu verhindern.

  • Torben kam im Dezember 2024 zu SECUINFRA und ist für den Ausbau der Geschäftspräsenz des Unternehmens in der nordischen Region verantwortlich. Sein Schwerpunkt liegt auf dem Aufbau strategischer Partnerschaften, der Erweiterung der Kundenbeziehungen und der Positionierung der Managed Detection and Response (MDR)- und SOC-Dienstleistungen von SECUINFRA in Nordeuropa. Mit seinem Hintergrund in den Bereichen Cybersicherheit, Compliance und Geschäftsentwicklung schließt Torben die Lücke zwischen technischer Exzellenz und geschäftlichem Nutzen und hilft Unternehmen dabei, ihre Sicherheitslage zu stärken und gleichzeitig die EU-Vorschriften wie NIS2 und DSGVO einzuhalten.

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